Das sagt Schriftstellerin Nicole Krauss über die Zeit, als sie Mutter wurde. Wie sie damals ihren Ehrgeiz verlor – und ihn mit ihrem neuen Buch wiederfand.
EMOTION: Frau Krauss, worum geht es in Ihrem Buch "Das große Haus"?
Nicole Krauss: Könnte ich das zusammenfassen, hätte ich nicht einen ganzen Roman darüber geschrieben.
Gut, dann versuche ich den Plot zu skizzieren: Sie erzählen die Geschichte von vier Menschen, die in unterschiedlichen Ländern leben. Das Einzige, was sie verbindet: ein alter Schreibtisch, der von einer Person an die nächste verliehen, verschenkt oder vererbt wird. Es geht um Verluste, Geheimnisse, Trost – und darum, einen Platz im Leben zu finden. Ein sehr komplexer Roman. Wie haben Sie beim Schreiben den roten Faden bewahrt?
Lange wusste ich nicht genau, wo es hingeht. Diese Ungewissheit ist in die Protagonisten miteingeflossen. Das Resultat ist ein Buch über Menschen, die mit sich ringen. Sie stehen an einem Wendepunkt: Da ist die Schriftstellerin, deren Leben aus den Fugen gerät, ein alter Israeli, der am Ende seines Lebens an sich als Vater zweifelt. Und ein englischer Professor, der nicht mehr weiß, ob er seine Frau je wirklich gekannt hat.
Sie möchten die Leser herausfordern?
Ja! Als Menschen haben wir doch den tiefen Wunsch, uns neu zu erfinden, uns weiterzubilden. Wir nehmen Kunst und Bücher, die uns berühren, in uns auf. Sie formen uns, werden Teil unserer Persönlichkeit. Daher schaffe ich Situationen, in denen Menschen sich dem Leben stellen müssen. Alles, was nicht essenziell ist, fällt weg. Small Talk, Kleinigkeiten.
Sie sagen: Schreiben ist wie ein Zuhause für Sie. Wie meinen Sie das?
Meine Großeltern kommen aus vier verschiedenen Ländern und meine Mutter ist in England, mein Vater in Israel aufgewachsen. Indem ich schreibe, verknüpfe ich diese vielen verschiedenen Orte und schaffe mir ein Zuhause. #image5266left
Sie haben zwei kleine Söhne. Wie gelingt es Ihnen, Mutter und gleichzeitig Schriftstellerin zu sein?
Als ich mein erstes Kind bekam, verlor ich meinen Ehrgeiz. Plötzlich hatte ich keinen Zugang mehr zu meinem Innenleben. Bis dahin führte ich, egal mit wem ich sprach, immer auch eine eigene innere Konversation. Es war, als sei meine Gedankenwelt von einer Truppe wilder Pferde entführt worden, die mich hinter sich her zog.
Und doch haben Sie es geschafft, dieses Buch genau jetzt zu schreiben.
Meine Kinder sind wichtiger als alles. Aber zum Glück kam der Ehrgeiz nach einiger Zeit zurück. Erst jetzt, wo ich "Das große Haus" fertig geschrieben habe und darüber rede, sehe ich: Das Buch ist auch eine feierliche Rückkehr meines eigenen Innenlebens. Was für eine Freude, so tief und intensiv in meine Gedankenwelt und in die anderer Personen einzutauchen. Wieder zu denken! Ein pures Vergnügen.
Gerade waren Sie mit Ihrem Buch auf Lesereise in Deutschland. Wie ist es für Sie, den Text auf Deutsch zu hören?
Leider verstehe ich kaum etwas. Ich bin fasziniert und gleichzeitig schießen mir all diese Fragen durch den Kopf: Wie bin ich hierher gekommen? Wie kann es sein, dass diese Person diesen Text liest, den angeblich ich geschrieben habe? Es ist absurd. Aber ich liebe Absurdität.
Nicole Krauss, geboren 1974 in New York, studierte Literatur in Stanford und Oxford sowie Kunstgeschichte in London. Sie debütierte 2002 mit "Kommt ein Mann ins Zimmer". Ihr zweiter Roman "Die Geschichte der Liebe" war ein grandioser internationaler Erfolg.
Hier können Sie dieses Buch bestellen:
Das große Haus