Ein Säugling stirbt. Aber wie wäre sein Leben verlaufen, hätte er überlebt? Jenny Erpenbeck entwirft fünf aufwühlende Lebensgeschichten im historischen Kontext des 20. Jahrhunderts.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von PR-Managerin Kathrin Grün, 39.
Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend
"Am Ende eines Tages, an dem gestorben wurde, ist längst nicht aller Tage Abend", schreibt Jenny Erpenbeck, und fragt nach dem, was hätte sein können: Wie wäre das Leben verlaufen, wenn die junge Mutter, selbst noch ein Kind, gewusst hätte, was zu tun gewesen wäre, um das Kind am Leben zu erhalten?
In fünf Büchern entwirft die Autorin fünf mögliche Lebens- und Familiengeschichten: Die Handlung setzt zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Galizien ein, führt über Wien nach Moskau, und endet 1989, kurz nach dem Mauerfall, in einem Berliner Pflegeheim. In jedem der fünf Bücher stirbt die Protagonistin - als Achtzehnjährige in Wien, als siebenunddreißigjährige Kommunistin in Moskau, als hochgeehrte, sechzigjährige Wissenschaftlerin in Ost-Berlin. Die einzelnen Bücher sind durch Intermezzi miteinander verbunden, in denen jeweils ein wesentliches Detail verändert ist - woraus sich eine jeweils neue biographische Wendung ergibt.
Die vom Hessischen Rundfunk produzierte Hörbuchfassung von "Aller Tage Abend" schöpft vielleicht nicht alle Möglichkeiten der Inszenierung dieses vielstimmigen Romans aus, wie eine Rezensentin an anderer Stelle bemerkte. Aber Jenny Erpenbeck zuzuhören, ist ein Erlebnis: Ihre helle, ruhige Stimme mit der unverkennbaren Berliner Färbung hallt noch lange nach.
Kathrin Grün ist PR-Managerin. Sie ist Mitglied im Netzwerk der Bücherfrauen (www.buecherfrauen.de).
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"