Authentisch im Netz: Die Online-Expertin Kathrin Koehler stellt drei spannende Frauen vor, die sich erfolgreich im Internet mit ihren Blogs präsentieren und so auch ihr berufliches Netzwerk perfekt aufgebaut haben.
Emails verschicken, online Geld überweisen, shoppen oder einen Flug buchen - all diese Dinge sind für uns mittlerweile ganz selbstverständlich geworden. Aber sich selbst im Netz promoten? Das ist für viele noch immer Neuland. Wer sind diese Frauen, die man neuerdings immer öfter im Netz antrifft, und die in sogenannten Blogs biografische Infos, Urlaubsfotos oder Lieblingsrezepte zeigen? Pardon: posten.
Nina Claassen, 43, freie Regisseurin und Schauspieltrainerin
Wer zum Beispiel auf den Blog von Nina Claassen klickt, erfährt jede Menge über ihre Theaterarbeit mit muslimischen Jugendlichen, kann sich durch Fotos von einer Inszenierung im Hamburger Flakbunker klicken und bekommt eine Empfehlung für einen Film, den eine Freundin von ihr gedreht hat. Sehr interessant, nur: was bezweckt die Regisseurin und Schauspielerin damit?
Selbstvermarktung ist das A und O
"Bislang habe ich von Mund-zu-Mund-Propaganda gelebt", erklärt die 43-Jährige, "das hat sich mit der Zeit allerdings erschöpft. Ich habe gemerkt, dass ich viele Chancen verschenke, wenn ich mich nicht richtig vermarkte." Aber warum ausgerechnet mit einem Blog? Um sich auf dem Arbeitsmarkt zu präsentieren gibt es doch genug Netzwerke wie Xing und oder LinkedIn? "Das stimmt, aber die sind eher kaufmännisch orientiert", erklärt die Theaterfrau, "meine Kontakte tummeln sich da nicht."
Unendliche Möglichkeiten
Sich so zu präsentieren, damit man mit Hilfe von Suchmaschinen im Word Wide Web gefunden wird, kann man auch auf einer Fanpage bei Facebook sowie einem Profil bei Twitter oder Pinterest. Der Vorteil eines eigenen Blogs ist jedoch, dass man sich an Geschäftsbedingungen eines Dritten halten muss. Und der Arbeitsaufwand? Der richtet sich ganz nach den persönlichen Kapazitäten und Vorlieben. Schließlich kann man selbst entscheiden, wie oft man seinen Blog mit News aktualisieren möchte. So unterschiedlich die Themenfelder der Blogger, so unterschiedlich ist auch ihr Engagement, das von nur wenigen Einträgen im Quartal bis zu mehreren Beiträgen pro Tag reicht. Um die Reichweite der eigenen Meldungen zu erhöhen, macht man am besten auch noch auf Plattformen wie Facebook darauf aufmerksam, postet den Link des Blogs - und gewinnt so noch mehr Besucher.
Gratwanderung zwischen Selbstdarstellung und Eigenlob
Nina Claassen hat lange gezögert, bis sie den Schritt in die virtuelle Öffentlichlichkeit wagte: "Dabei surfe ich viel und mit Begeisterung." Aber sie hatte Hemmungen vor der Gratwanderung zwischen Selbstdarstellung und Eigenlob. Irgendwie muss man den Lesern ja klarmachen, dass man eine interessante Persönlichkeit ist, und es sich lohnt, den Blog anzuklicken. Aber zu prahlerisch darf der Auftritt auch nicht sein, das wirkt unsympathisch. Und genau darum machte sich Nina Claassen Sorgen: um negative Kommentare anderer User. Wie reagiert man darauf? Löschen, antworten, sie sich zu Herzen nehmen? Für all das bekommt man mit der Zeit ein Gefühl und zudem wächst die Souveränität. Wer ist denn hier der Experte? Der User oder die Bloggerin? Und hat man tatsächlich das Glück, Experten als Leser zu haben, um so besser, denn genau dafür ist ein Blog ja ebenfalls da: um sich auszutauschen, zu inspieren und inspiriert zu werden.
Der Blog als Portfolio der eigenen Arbeiten
Den ausschlaggebende Impuls, sich doch an einen eigenen Blog heranzuwagen, gab die Internetseite einer Freundin: "Mir gefiel ihre bunte, lebendige Mischung aus Blog und Portfolio", erzählt Nina Claassen. Als sie dann auch noch erfuhr, dass es Blogsoftware gibt, bei der einfache Word-Kenntnisse ausreichen, legte sie los. Jetzt kann sie, wenn sie zum Beispiel auf einer Premierenfeier einen neuen Kollegen kennenlernt, einfach sagen: "Du findest mich in Netz, da kannst du dir ein Bild von meiner Arbeit machen."
Erfolgreich bloggen ist manchmal gar nicht so einfach
Steht die Schauspielerin und Regisseurin Nina Claassen noch am Anfang, weiß Anne Wizorek schon lange, was sie online tun muss, um ihre Ziele zu erreichen. Die 32-Jährige ist eine Netz-Persönlichkeit mit vielen Facetten: Als Beraterin für digitale Kommunikation entwickelt sie Strategien für Unternehmen und Organisationen, die online kommunizieren. Zum anderen hat sie den Blog www.kleinerdrei.org gegründet, auf dem ein fester Autorinnen-Stamm auf feministische Themen aufmerksam macht: "Es geht um Herzensangelegenheiten aller Art, die in der Regel mit einer feministischen Perspektive betrachtet und beschrieben werden."
Internet-Lexikon
- Ein Blog dient der beruflichen sowie privaten Profilierung und ist chronologisch geordnet. Er kann bei Anbietern wie Blogger.com und Wordpress.de angelegt werden (Serverdienst) oder selbst betrieben werden. Dann muss ein eigener Webserver gemietet und eingerichtet werden. Blogger folgen sich über die Blogroll und demonstrieren so, mit wem sie vernetzt sind.
- Facebook wurde zur privaten und gegenseitigen Vernetzung gegründet. Mittlerweile bietet das soziale Netzwerk auch Fanpages zu Marketing- Zwecken an (Werbung, Kundenpflege, Service).
- Twitter hat eine breite Funktionspalette, aber die Nachrichten haben maximal 140 Zeichen. Hier werden u.a. News, Markenbotschaften oder Empfehlungen von Blogbeiträge versendet. Das geschieht per Kurz-Link oder durch Micro-Bloggen.
- Instagram ist eine Plattform zum Teilen von Fotos. Gehört mittlerweile zu Facebook.
- Pinterest vereint die Worte "pinnen" und "Interest" - Nutzer sammeln Bilder an Pinboards (an einer virtuellen Pinnwand) und verlinken über das Bild auf ihren Blog oder eCommerce-Shop.
- Xing & linkEdin sind berufsorientierte Netzwerke, auf denen Nutzer ein berufliches Profil mit Werdegang und Interessen anlegen.
Anne Wizorek und Holly Becker
Anne Wizorek, 32, Digital Consultant, Aktivistin, Bloggerin
Während Nina Claassen es manchmal fast unheimlich findet, dass sich Informationen im Netz verselbstständigen können, provoziert Anne Wizorek geradezu den Kontrollverlust. Wie letztes Frühjahr, als sie im Internet Äußerungen gegen Alltags-Sexismus wahrnahm und unter dem Schlagwort #aufschrei eine Extra-Seite bei Twitter einrichtete.
Der Erfolg von "#aufschrei"
Innerhalb weniger Stunden berichteten unerwartet viele Frauen von persönlichen und zum Teil sehr intimen Erlebnissen, öffentlich und in nur 140 Zeichen. Schnell wurde Anne Wizorek in dieser gesellschaftlichen Debatte zur zentralen Ansprechpartnerin für Journalisten und saß schließlich als Talkgast bei Jauch - Ergebnis eines kontinuierlichen Engagements im Web. Auf dem Höhepunkt der Debatte erhielt Anne Wizorek im Sekunden-Takt einerseits Zuspruch, andererseits extrem negative Reaktionen: "Es gab Zeiten, da ist mein Posteingang fast explodiert", erinnert sie sich. Damals zahlte sich ihr Netzwerk aus, das sie sich über die Jahre hinweg aufgebaut hat: "Ich habe tolle, schlaue, passionierte, gleichgesinnte Frauen kennengelernt, die mich aufgefangen und wieder aufgebaut haben." Ob sich #aufschrei auf ihre Karriere ausgewirkt hat? "Es gab keine direkten Jobangebote. Aber ich konnte mich noch breiter vernetzen und gelte nun als Expertin für dieses Thema. Außerdem wurde ich zu vielen Vorträgen eingeladen - das freut mich natürlich."
Die persönliche Note ist wichtig
Von Business-Plattformen wie LinkedIn und Xing ist die "Nerdette mit Wohnsitz Internet und Berlin", wie sich Anne Wizorek selbst nennt, übrigens nicht hundertprozentig überzeugt: "Dort fehlt mir die persönliche Note. Bei Twitter sende ich einen Mix aus beruflichen und persönlichen Themen, und das macht mich als Person authentisch. So können mich meine Kunden erleben und kaufen nicht die Katze im Sack." Zum Blog von Anne Wizorek
Holly Becker, 39, Journalistin, Autorin und Interior-Stylistin
Sehr authentisch präsentiert sich auch die Stylistin Holly Becker in ihrem Blog. Ihre ersten Artikel stellte die 39-Jährige bereits 2005 online, allerdings in einem zunächst sehr privat orientierten Blog. Das Thema: Dekoration. "Doch mir fehlte es noch an Selbstvertrauen und ich wusste nicht genug übers Bloggen, um mich zu entwickeln", erzählt sie. Also wurde das Projekt erstmal wieder auf Eis gelegt. Bis sie ein eindreiviertel Jahr später einen Schreibkurs belegte, in dem ein New York Times-Redakteur sagte: "Wenn du nicht im Internet bist, dann existierst du nicht."
Bloggen bedeutet, viel Zeit und Arbeit zu investieren
Dieser Satz saß war der Startschuss. Holly Becker fuhr nach Hause, eröffnet ihren Blog aufs Neue und schreibt seitdem jeden Tag über Design und Dekoration. Sie investiert viel Zeit, viel Arbeit. "Du kannst keine Pille schlucken und über Nacht Erfolg im Netz haben", so die Autorin mit Wohnsitz Hannover. "Ohne Einsatz, Ausdauer und Leidenschaft geht es nicht." Deshalb bildet sie sich auch ständig weiter und verrät ihr Wissen in Online-Kursen. Ihr Tipp: im Netz nicht zu werblich auftreten. "Um sich selbst online zu promoten, sollte man nicht zu energisch oder verzweifelt wirken. Lieber selbstbewusst die eigenen Errungenschaften zeigen und dann wieder mit anderen Themen fortfahren."
Wie durch Bloggen Träume wahr werden können
Der Erfolg gibt ihr Recht. Mittlerweile gehört sie zu der Liga von Bloggern, deren Träume wahr werden: Sie arbeitet als Online- und Print-Kolumnistin, hat zwei Design-Beststeller geschrieben, hält Vorträge und hat berühmte Kunden wie zum Beispiel Top-Designer Jonathan Adler. "Am Anfang brauchst man nur einen kleinen Stamm loyaler Follower, die an dich glauben. Den Rest macht der Schneeballeffekt", erklärt sie bescheiden. Das ist sicher nur ein Teil der Wahrheit, aber ein sehr motivierender. Deshalb, einfach mal ausprobieren. Egal was man zu bieten hat, ob die besten Tipps zum Rosenschneiden oder kluge Gedanken zum alltäglichen Wahnsinn.