Redakteurin Greta Lührs erzählt von ihrem letzten Umzug und welche Glücksmomente und Strapazen damit verbunden waren.
Sehr weit bin ich nicht gerade gekommen: Nur bis zur anderen Seite der Alster. Trotzdem versetzt mich mein Umzug in Aufbruchsstimmung. Und lässt mich mal wieder merken, dass Veränderungen gar nicht so schlecht sind.
Umziehen ist eine ziemlich langwierige und anstrengende Sache. Darum bin ich nicht gerade umgezogen, sondern eher immer noch dabei. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, das alles ganz easy anzugehen, kommt der Stress dann doch ganz automatisch mit all dem Umgemelde, Gepacke, Geschleppe, Gebohre, Gestreiche und sonstigen To-Do’s. Nun sitze ich also in einem riesigen Haufen Kartons und frage mich, wer dieses ganze Zeug angesammelt und nun bitteschön eine Idee hat, wo das alles hin soll. Wer umzieht, lebt noch dazu zunächst auf einer Baustelle, was das Wohlbefinden nicht gerade steigert. Morgens stolpert man auf dem Weg ins Bad über die Bohrmaschine und man sucht in gefühlt tausend Kartons bis man die richtigen Schuhe gefunden hat. Generell ist alles auf keinen Fall da, wo es sonst ist, was schlicht eine natürliche Folge der Raumveränderung ist und sich zunächst ziemlich ungewohnt anfühlt. Das können wir tendenziell ja nicht so gut ab, obwohl wir uns das selten eingestehen.
Auch wenn wir von allen Seiten zu hören bekommen, dass wir in einer Gesellschaft leben, der Bewegung, Flexibilität und Aktionismus zur neuen Religion geworden ist, sind die meisten von uns Gewohnheitstiere. Wir haben bestimmte Abläufe, Rituale und Strukturen lieb gewonnen und fühlen uns damit wohl wie die Maden im Speck. Ich bin da überhaupt keine Ausnahme.
Etwas daran zu ändern – egal ob es die Wohnung, der Job, der Partner (oder vielleicht die Frisur?) ist– geht immer mit dem Wagnis des Ungewissen einher. Nicht immer sind es gleich die dramatischen Schicksalswendungen, sondern eher die kleinen Momente, in denen man kurz spürt, wie die feste Reling des Bekannten, Gesicherten verschwindet. Stattdessen ist da das Neue, das einen taumelnd macht und in dessen Angesicht man kurz die Augen zukneifen will wie vor einem Sprung vom Fünf-Meter-Brett.
Gleichzeitig macht dieser Zustand völlig euphorisch und erzeugt so ein herrliches Prickeln. Die Kartons, das Chaos, sie markieren Aufbruch. Sagen, mir: Achtung, jetzt kommt etwas Neues! Und du hast zwar keine Ahnung, wie das ausgehen wird, aber das hast du ehrlich gesagt nie – sogar dann nicht, wenn du alles immer so lässt, wie es ist. Also ran an die kahlen Wände!
Dieses Prickeln ist das Großartige, das Verheißungsvolle, das in der Veränderung steckt und das wir ruhig zulassen dürfen. Und das wir vor allem genießen sollten, solange es anhält. „Das Leben besteht in der Bewegung“ hat der griechische Philosoph Aristoteles schon vor langer Zeit gesagt. Ich glaube trotz aller Liebe zum Sicheren und Altbewährten, dass er damit sehr Recht hat.